Krafttraining zur Krebsheilung?
„Krafttraining gegen Krebs – ist das ernst gemeint?“ werden Sie sich vielleicht fragen.
Jedes Kind weiß um die Steigerung des Wohlbefindens während und nach körperlicher Aktivität. Auch die wissenschaftliche Erkenntnisse haben dies immer unterstrichen. Dennoch gibt es in den letzten Jahren ein paar sehr überraschende Forschungsergebnisse, aus denen hervorgeht, dass sich durch Krafttraining tatsächlich Heileffekte bei Krebserkrankungen ableiten lassen. Daraus lässt sich die Devise „Her mit den Hanteln“ ableiten.
Der Mensch hat 656 Muskeln, die bei Männern etwa 40%, bei Frauen etwa 23% des Körpergewichts ausmachen. Noch bis vor kurzem wurden Muskeln auf ihre Funktion innerhalb des Bewegungsapparates reduziert. Doch im Jahr 2007 machte die dänische Forscherin Bente Pedersen eine erstaunliche Entdeckung: Muskeln bilden hormonähnliche Botenstoffe, die eine Reihe von essentiellen Körperfunktionen beeinflussen.
Pedersen nannte sie “Myokine” – zusammengesetzt aus den griechischen Worten „Mys“ für Muskel und „Kinema“ für Bewegung. Myokine optimieren unter anderem den Fettstoffwechsel, den Organstoffwechsel und den Insulinstoffwechsel. Es handelt sich also um Substanzen, die wir möglichst zahlreich im Körper ansammeln sollten.
Da diese Wunderstoffe im Muskel gebildet und nur durch Muskelaktivität ausgeschüttet werden, kann man heute sagen, dass zwischen aktiver Muskelmasse und Gesundheit ein direkter Zusammenhang besteht.
Aus diesem Grund verschreiben immer mehr Onkologen sowohl erkrankten als auch gefährdetet Patienten Krafttraining, was bis vor kurzem noch als Behandlungsfehler angesehen wurde.
Es versteht sich dabei natürlich von selbst, dass die Belastung immer der Physis des Patienten angepasst sein muss.
Nach heutigem Stand der Forschung (2020) sind einige hundert Myokine und ihre Wirkweise erforscht, man geht aber davon aus, dass noch zahlreiche weitere existieren.
Aktuelle Studien, die die Rolle der Myokine im Zusammenhang mit Brust- und anderen Krebsformen erforschten, konnten zeigen, dass regelmäßiges Krafttraining das Brust- und Darmkrebsrisiko um 25 bis 30 Prozent senkt.
Aber nicht nur bei Krebserkrankungen zeigen sich diese überaus positiven Effekte:
Einige Beispiele für Myokine:
- INTERLEUKIN 6 (IL-6) ist das am besten erforschte Myokin. Es begünstigt die Aufnahme von Zucker in die Muskelzellen, wodurch es eine wichtige Rolle bei der Behandlung, Vermeidung und auch bei der Heilung von Diabetes spielt. Außerdem wirkt IL-6 entzündungshemmend und hilft körpereigenen Killerzellen beim Aufspüren von Krebszellen.
- VEGF regt das Wachstum von Blutgefäßen an, was gleichermaßen segensreich für alle Organe ist, egal ob Herz, Gehirn oder Niere. Darüber hinaus wirkt VEGF blutdrucksenkend, da es die Gefäße entspannt.
- INTERLEUKIN 15: wirkt anregend auf das Immunsystem und fördert die Fettverbrennung, vor allem im Bauchbereich.
- IGF-1 und FGF-2: wirken der Ausbildung einer Osteoporose entgegen, indem sie die Knochenneubildung anregen.
Krafttraining zur Krebsheilung
Myokine tasten Zellen ab und docken an sogenannten „Rezeptoren“ an. Dort geben sie spezifische Signale ab und lösen dadurch Reaktionen innerhalb der Zelle aus, welche in der Folge beispielsweise deren Elastizität oder Regenerationsfähigkeit beeinflussen. So kann die Dehnbarkeit der Gefäße erhöht und das Herz-Kreislauf-System positiv beeinflusst werden.
Aber auch für die Heilung von Diabetes II und die Krebstherapie wird den Myokinen immer mehr Bedeutung beigemessen.
Fest steht: Bei einem intensiven Intervalltraining mit hoher Belastung wird in kürzerer Zeit eine höhere Myokin-Ausschüttung erreicht als bei zwei Stunden Ausdauertraining.
Dies sollte Sie jedoch keineswegs dazu veranlassen, weniger Ausdauertraining zu betreiben. Beide Trainingsformen haben jeweils für sich positive Effekte und sind daher unverzichtbar.
Abseits des Themas “Myokine” fanden Forscher des Universitätsklinikums des Saarlandes heraus, dass Krafttraining auch auf genetischer Ebene einen Effekt hat, indem es für eine Erneuerung der Telomere sorgt. Diese haben einen wesentlichen Einfluss auf die Lebenserwartung, da sie sich bei jeder Zellteilung etwas verkürzen, bis sie schließlich aufgebraucht sind, was den programmierten Zelltod einleitet. Sie können die diesbezügliche Studie hier einsehen: https://is.gd/CbIDMc
Bitte beachten Sie, dass das Krafttraining immer an Ihre Grundphysis angepasst werden muss.
Lesen Sie hier weitere Details zum Thema Krafttraining gegen Krebs.
Die Relevanz von Bewegung & Sport bei Krebs (abseits von Krafttraining)
Wussten Sie, dass ein Steinzeit-Mensch durch die Notwendigkeit zu jagen und zu sammeln im Durchschnitt täglich über 20 Kilometer zurücklegte? Obwohl uns die Segnungen der modernen Zivilisation eine deutlich höhere Lebenserwartung beschert haben, ist das evolutionäre Erbe gleichgeblieben. Und dieses verlangt, dass alle biologischen Systeme beansprucht werden, damit sie optimal funktionieren.
In anderen Worten: Der moderne Mensch ist von seiner genetischen Programmierung her immer noch mit seinen tausende Jahre alten Ahnen vergleichbar. Und diese hatten weder ein üppiges Supermarktangebot noch motorisierte Fortbewegungsmittel.
Der Körper ist – damals wie heute – auf das Verbrauchen von Kalorien ausgelegt, sei es für das Sammeln, das einem Ausdauertraining entspricht, oder für das Jagen, das Schnellkraft erfordert.
Aber da wir heute andere Berufe ausüben, als die des Jägers und Sammlers, müssen wir Sport treiben, um gesund zu bleiben. Die einzige Alternative dazu wäre die radikale Beschränkung der täglichen Kalorienaufnahme. Aber selbst dann würden wir uns von der Fülle an positiven Effekten abschneiden, die Sport und Bewegung mit sich bringen.
Wer sich regelmäßig bewegt, stößt unter anderem folgende Vorgänge an: Die Herztätigkeit wird angeregt, der Blutfluss erhöht.
Eine Kaskade an Botenstoffen wird freigesetzt. Im Gehirn entstehen neue Nervenbahnen. Krankes Gewebe heilt, das Zellwachstum wird angeregt, die Erbsubstanz repariert. Muskelmasse wird aufgebaut, wodurch auch das Skelett gestärkt wird, die Gelenke werden geschmiert und es werden Myokine ausgeschüttet. Die Atmung wird aktiviert.
Jedes Kind weiß, dass Bewegung gut tut, und die Wissenschaft entdeckt immer neue heilende Effekte von sportlicher Aktivität. Damit ist klar: Sport dient nicht nur der Kalorienverbrennung, sondern ist darüber hinaus eine hocheffektive Therapie, und zwar sowohl auf physischem wie psychischem Niveau.
Wer regelmäßig Krafttraining macht, stärkt die Muskulatur und damit auch das Skelett, was der häufig schleichend einsetzenden und zunächst unbemerkt verlaufenden Osteoporose entgegenwirkt. Wie sich das Krafttraining auf eine Krebserkrankung auswirkt, wurde ja eingangs beschrieben.
Neuere Studien haben gezeigt, dass ein aktiver Muskel den Knochen, mit dem er verbunden ist, dazu anregt, über das Knochenmark neue Zellen zu produzieren.
Dieter Felsenberg, Leiter des Zentrums für Muskel- und Knochenforschung der Charité in Berlin empfiehlt daher auch älteren Menschen, ein bis zweimal pro Woche ins Fitnesscenter zu gehen, um gezielt Krafttraining zu machen.
Die sogenannten Myokine werden ausschließlich durch Muskelaktivität freigesetzt.
Fast alle heute epidemischen Wohlstandskrankheiten lassen sich mit dem richtigen Maß an Bewegung vermeiden.
Sie sorgt dafür, dass sich der Blutdruck normalisiert, die Arterien frei von Ablagerungen bleiben und sich die Blutfettwerte, wie z.B. das Cholesterin, im grünen Bereich bewegen. Selbst Typ 2 Diabetiker können ihren Zuckerhaushalt durch Ausdauertraining in einer Weise regulieren, dass sie weniger und manchmal sogar keine Medikamente brauchen.
Sind Sport und Krafttraining effektiv bei der Krebsheilung?
Cornelia Ulrich, Leiterin der Abteilung für Präventive Onkologie am Krebsforschungszentrum in Heidelberg, formuliert es so: “Körperliche Ertüchtigung stimuliert die Reparatur von Defekten in der Erbsubstanz DNA, welche als Auslöser von Krebs gelten. Zum anderen sinken der Blutzuckerspiegel sowie die Menge der Botenstoffe Insulin, IGF-1 und 2, welche ebenfalls im Verdacht stehen, Tumorwachstum zu begünstigen.”
Doch nicht nur zur Prävention wird Sport von den Heidelberger Krebsforschern empfohlen, sondern auch für Menschen, bei denen die Diagnose „Krebs“ bereits gestellt wurde. Dies deckt sich auch mit Forschungen aus den Vereinigten Staaten. Die amerikanische Brustkrebs-Spezialistin und Buchautorin Carolyn Kaelin sagt:
“Wird bei einer Frau Brustkrebs diagnostiziert, so sollte sie sofort mit einem Fitnessprogramm beginnen, auch wenn ihr nicht danach zumute ist.”
Möglicherweise sind die positiven Effekte auch auf die vermehrte Ausschüttung der Botenstoffe Endorphin, Dopamin und Serotonin zurückzuführen, da diese wie körpereigene Antidepressiva wirken.
In einer amerikanischen Studie wurden ca. 100 depressive Patienten medikamentös behandelt, während man einer ebenso großen Vergleichsgruppe nur Placebos gab, sie jedoch gleichzeitig dreimal wöchentlich auf dem Laufband joggen ließ. Das Ergebnis nach vier Monaten war, dass sich die Personen aus der Sportler-Gruppe deutlich besser fühlten als diejenigen aus der Medikamenten-Gruppe, also messbar weniger depressive Symptome aufwiesen.
Selbst das Gehirn profitiert in zweifacher Weise von regelmäßiger Bewegung. Zum einen wird der Dopamin-Abbau verlangsamt, was, wie bereits oben erwähnt, stimmungsaufhellend wirkt, und zum anderen erhöht sich durch regelmäßigen Sport auch die Gehirnplastizität. Speziell der Hippocampus, der für Lernen und das Erinnern zuständig ist und der normalerweise mit dem Alter schrumpft, wächst bei einem regelmäßig sportlich aktiven Menschen messbar an.
Das American College of Sports Medicine hat vor einigen Jahren die Initiative „Exercise is Medicine“ (Sport ist Medizin) ins Leben gerufen. Der oben zitierte Kardiologe und Sportmediziner Prof. Steinacker ist einer derjenigen, die diesem Ansatz auch in Europa Geltung verschaffen wollen: Anerkennung von Bewegungstraining als verschreibungsfähiges Heilmittel.
Wie sieht mein optimaler Trainingsplan aus?
Wie schon oben betont, muss das Training Ihrer derzeitigen Physis angepasst werden. Das richtige Maß können Sie jedoch leicht ohne fremde Hilfe herausfinden: fangen Sie – egal ob mit Kardio- oder Muskeltraining – sanft an und steigern sich, bis Sie merken, dass Ihre Leistungsgrenze erreicht ist. Diese Leistungsgrenze ist Ihre Richtschnur. Sie sollten sich keinesfalls überlasten, aber eben auch nicht unterfordern. Das mittelfristige Ziel ist, die Leistungsgrenze kontinuierlich zu verschieben. Dies ergibt sich durch möglichst tägliches Training ganz von selbst. Ideal ist es, wenn Sie Krafttraining mit Dehnungsübungen und Ausdauertraining abwechseln. So haben Sie täglich Programm und vermeiden gleichzeitig einseitige Belastungen. Hören Sie auf Ihren Körper, geben Sie Ihm was er braucht – und zwar regelmäßig!
Artikel von Gerald Hagler
Anmerkung des Autors:
In meiner individuell angepassten Selbstheilungs-Beratung ist das Thema „Krafttraining bei Krebs“ ein integraler Bestandteil.
Weitere interessante Links zum Thema:
Krafttraining gegen Krebs – eine Wunderwaffe?
Sport ist so wichtig wie ein Krebsmedikament (Ärzteblatt)
Muskeln können vor Krebs schützen (Netdoctor)
Krafttraining senkt Krebsrisiko (Fokus)